Für ihr Video DOCH! RASSISMUS IST REALITÄT! werden die Schüler*innen des Wahlpflichtkurses Medien unter Leitung von Melanie List im März in Berlin ausgezeichnet.
Die Schüler*innen hatten ihre Arbeit beim Klickwinkel-Videowettbewerb 2019 eingereicht. Der Wettbewerb wird von der Vodafone Stiftung unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten ausgerichtet.
Neben unseren Schüler*innen nahmen an dem Wettbewerb 2019 300 Schülerinnen und Schüler aus ganz Deutschland teil. Von A wie Abfall bis Z wie Zusammenhalt wurden vielfältige Themen behandelt, die unsere Gesellschaft und insbesondere junge Menschen bewegen.
Das vom WPK Schülerblog (Jahrgang 8) erstellte Video DOCH! RASSISMUS IST REALITÄT! hat der Jury dabei besonders gut gefallen.
Herzlichen Glückwunsch!
Die HAZ berichtete:
Donnerstag, 5. März 2020 Stadt-Anzeiger Ost
IGS-Schüler halten ihre Erfahrungen mit Rassismus, Beleidigungen und Ausgrenzung in einem Video fest / Nominierung für einen Preis bei Klickwinkel
Preisverdächtig: Die Schüler der IGS Roderbruch haben ihre Erfahrungen in einem Film festgehalten – und wollen damit andere wachrütteln.
Foto: Jo-Hannes Rische
Groß-Buchholz. Schüler, Lehrer, Mitarbeiter – sie alle sitzen im Film vor einer weißen Wand. Sie haben verschiedene Haut- und Haarfarben, sie haben Eltern oder Großeltern aus verschiedenen Ländern und tragen unterschiedliche Klamotten. Was sie erzählen, eint sie allerdings: Sie haben Diffamierungen erlebt, wurden beleidigt und ausgegrenzt. Das erzählen sie dem Zuschauer direkt in knapp fünf Minuten. Für den bewegenden Zusammenschnitt hat der Klickwinkel Videowettbewerb sie nun für einen Preis nominiert.
Rückblick: Lehrerin Melanie List leitet einen Wahlpflichtkurs an der IGS Roderbruch, einer Schule, die sich schon seit Jahren gegen Rassismus einsetzt. In ihrem Kurs lässt sie die Schüler Artikel schreiben, Fotos schießen und Filme drehen. „An einem Tag hatte ich eine Schülerin im Unterricht, die ihre Wurzeln in Sri Lanka hat“, erzählt List. „Ich habe sie reflexartig gefragt, woher sie denn kommt“, sagt sie ehrlich. Die Schülerin kam aus Hannover, List denkt über ihre eigene Frage nach. „Die bloße Annahme, sie könnte woanders herkommen, ist eigentlich schon rassistisch.“ Mit ihrem Kurs arbeitet sie an einem Projekt: Schüler der IGS Roderbruch sollen vor einer Kamera von ihren Erfahrungen berichten, von Situationen, die ihnen regelmäßig im Alltag begegnen.
„Es fängt mit Späßen an“, erzählt beispielsweise Maryam Mohammad. Die 13-Jährige trägt ein Kopftuch, worauf sie oft angesprochen wird. „Ob ich es tragen muss, werde ich dann gefragt. Manche wundern sich, dass ich Deutsch sprechen kann.“ Die Fragen schluckt sie meistens einfach runter, auch wenn sie sie ärgern. Dabei bleibt es aber nicht immer. „In Berlin hat mir eine ältere Dame mal mit dem Ellbogen in den Bauch geboxt“, erinnert sie sich. Zeugen gab es genug, gesagt hat niemand etwas. „Da fehlt die Courage.“
Auch der Achtklässler Raschid Issa hat einiges zu erzählen. Eine Vorlage für den Videodreh gibt es nicht. „Es in die Kamera zu sprechen, war gar nicht so schlimm“, sagt er. Aufgrund des Perspektivwechsels habe er allerdings beim späteren Ansehen Mitleid mit sich selber verspürt. „Einmal ist ein Mann auf dem Fahrrad an mir vorbeigefahren und hat mich einfach ,Neger‘ genannt“, erinnert er sich. Aufgrund seiner dunklen Haarfarbe ging einmal jemand davon aus, dass er aus dem afrikanischen Land Somalia stamme. „Mein Vater kommt aus Togo“, stellt Raschid klar, nicht ohne die Augen zu verdrehen. Zwischen den beiden Ländern liegen immerhin knapp 5000 Kilometer – das ist die Distanz zwischen Irland und Syrien.
Gedreht haben die Schüler mit einem Handy und einem Stativ, so wie es der Wettbewerb empfiehlt. „Man soll das nutzen, was man eh in der Hosentasche hat“, erklärt Melanie List. Zudem wolle man nicht vom Thema, vom Inhalt ablenken: Alltagsrassismus. „Die Leute brauchen Aufklärung, was zu tun wäre, wenn sie Rassismus miterleben“, sagt Sophie Beatrice Behrendt. Im Video erzählt sie gemeinsam mit ihrer Schwester Josephine Bernice einen Vorfall: „Ich bin mit der Bahn nach Hause gefahren und wollte mich hinsetzen.“ Die ältere Dame neben ihr stand sofort auf und sagte: „Ich sitze nicht neben Scheiße.“ Behrendt antwortete nicht, sie konnte die Beleidigung auf die Schnelle gar nicht realisieren – so wie die anderen Menschen um sie herum. „Viele haben es gehört, keiner hat reagiert.“
Sophie Beatrice würde gerne mehr Leute für das Thema sensibilisieren, Plakate aufhängen mit Slogans wie „Wer wegguckt, wird zum Täter.“ Es müsse mehr Reaktionen geben. Auch Toni Zachai ist schon betroffen gewesen. Der 22-Jährige studiert in Hildesheim Deutsch und Geschichte für das Lehramt und arbeitet nebenbei an der IGS. „Wichtig ist, dass man diesen Rassismus ahndet oder ihn gar nicht erst entstehen lässt. Indem man Haltung zeigt für eine freie Gesellschaft.“
Das wünschen sich auch die Schüler, die sich trotz der Diffamierungen den Stolz auf ihre Heimat – Deutschland – und auf ihre Wurzeln nicht nehmen lassen. Sie wollen weitere Projekte anschieben und mehr Filme drehen. Zunächst geht es aber am 23. März nach Berlin zur Preisverleihung. Erst dann wird der Film auch veröffentlicht – und werden die Schüler für ihre emotionalen Einblicke belohnt. „Da fahren wir dann alle gemeinsam hin“, sagt List. „Das ist ja auch schon ein schöner Erfolg.“