Als mir in der 9. Klasse zum ersten Mal die Gedenkfahrt nach Krakau vorgestellt wurde, war ich direkt sicher, dass ich mitfahren möchte.
Das Thema Nationalsozialismus und Holocaust hat mich schon immer interessiert und gefesselt und die Möglichkeit, Auschwitz, den wohl bekanntesten Ort des Geschehens mit eigenen Augen zu sehen, wollte ich unbedingt nutzen.
Vor der Fahrt gab es Workshops und Treffen, um vor allem diejenigen, die zum ersten Mal dorthin mitfuhren, auf die Erlebnisse in Polen vorzubereiten. Ich habe versucht, mir vorzustellen, wie es wohl werden würde, aber letztendlich wurde ich doch von den Eindrücken überrumpelt. Dort zu stehen, über das riesige Gelände zu gehen, die Ausstellung mit persönlichen Gegenständen anzuschauen, Berge an Klamotten, Schuhen, Brillen, Koffern, die Bücher zu durchblättern, in denen die Namen aller Menschen stehen, die dort waren, die Baracken mit viel zu vielen Betten auf viel zu wenig Platz zu betreten, vor den Gefängniszellen im Keller zu stehen, durch das berühmte Tor und auf die Gleise zu treten, in eine der noch erhaltenen Gaskammern zu schauen… all das hat mich so überwältigt, dass ich dem Guide, der uns nebenbei etwas über all das erzählt hat, kaum zuhören konnte. Die Stimmung war gedrückt und es lag eine unglaubliche Stille über dem ganzen Gelände. Doch aus irgendeinem Grund hatte es etwas Friedliches. Klingt paradox, wenn man darüber nachdenkt, was für grausame Dinge dort passiert sind…
Als wir am Abend über das Gesehene sprachen, wurde deutlich, wie unterschiedlich alle mit den Eindrücken umgingen, die einen weinten, die anderen konnten nicht. Ich gehörte zu denen, die nicht weinen konnten. Ich hatte einfach so viel gesehen und noch mehr darüber nachgedacht, dass in meinem Kopf kein Platz mehr für Tränen war. Und in dem Moment wurde mir klar: Ich muss nächstes Jahr nochmal hinfahren, ich muss mir das alles nochmal anschauen, ich will wissen, wie es auf den zweiten Blick aussieht, in der Hoffnung, das dann nochmal etwas besser einordnen zu können. Und das habe ich getan.
Ein Jahr später bin ich als Teamerin mitgefahren, mit dem Unterschied zum Vorjahr, dass ich nun wusste, was mich erwartet. Das bot mir die Möglichkeit, alles nochmal mit anderen Augen zu sehen, die Dinge, an denen ich im letzten Jahr vielleicht nur vorbeigelaufen war, genauer anzuschauen und auch nochmal neue Dinge wahrzunehmen, die ich aufgrund der vielen Einflüsse beim ersten Mal komplett übersehen hatte. Nun fahre ich zum dritten Mal mit und ich kann nur sagen: Leute, es lohnt sich! Ja, es ist hart, was man dort sieht, es ist schwer greifbar und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass die Erfahrungen mich nicht im Nachhinein noch beschäftigt hätten. Aber meiner Meinung nach sollte jeder, der Interesse an dem Thema hat, die Möglichkeit nutzen, mindestens einmal nach Krakau zu fahren um diesem Teil der Geschichte näher zu kommen.
Nele Schubert, Jahrgang 12